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Steen Erik Nielsen and Jorgen Thomsen
Athanassios Kaliudis

Wie ein kleines Labor die Offshorewindenergie-Branche rettet

D ie europäischen Hersteller von Offshorewindkraftanlagen drohen im internationalen Wettbewerb unterzugehen. Ein kleines Labor in Dänemark will sie retten, nimmt sich den Schiffsbau zum Vorbild und setzt alles auf das hochproduktive Laserhybridschweißen.

In einem sind sich alle Propheten der Energiebranche einig: Die Offshorewindenergie hat gesamtwirtschaftlich gesehen einen festen Platz in der Zukunft und wird immer wichtiger werden. Denn der Bedarf an sogenannter sauberer Energie steigt. Das sind eigentlich gute Nachrichten für die Hersteller. Trotzdem blickt man an den Küsten Europas in sorgenvolle Gesichter. Die Branche steht vor demselben Dilemma wie viele andere Industrien auch: Die Produkte sind technisch über jeden Zweifel erhaben, die Preise jedoch sind vielen Kunden zu hoch. Das Problem sind die Herstellungskosten. Bei der Montage der Windkraftanlagen überwiegt immer noch langwierige Handarbeit und hoch qualifizierte Schweißer kriegt man nur mit stattlichen Stundenlöhnen. Darum sucht die Branche verzweifelt nach automatisierten Verfahren.

Investitionen in Automatisierung zahlen sich aus

Die Sache ist bloß: Komponenten für Windkraftanlagen sind riesengroß, haben komplexe Geometrien und bestehen aus dickem Werkstoff - da geht es überhaupt erst im mittleren zweistelligen Millimeterbereich los. Unter diesen Bedingungen sind auch automatisierte Anlagen extrem aufwendig und kostspielig und die europäischen Windkraftfirmen scheuen vor dieser gewaltigen Investition zurück. Noch. Ein kleines Institut im dänischen Städtchen Munkebo will den Herstellern die Angst nehmen und ihnen beweisen, dass sich die Investition in Automatisierung langfristig auszahlt. Das Institut Lindø Welding Technology (LWT) ist eine Tochter des Technologie-Beratungsunternehmens Force Technology. Steen Erik Nielsen arbeitet dort als Projektmanager und ist für innovative Schweißtechniken zuständig. Als Forscher sieht er sich und seine Kollegen nicht. „Um die Grundlagen kümmern sich andere“, sagt er. „Wir wollen handfeste Ergebnisse für die Hersteller liefern.“ Im Fall der Windkraftanlagen gibt es ein ganz konkretes Vorbild, an dem er sich orientiert: den Schiffsbau.

Laserhybridschweißen rettete schon den Schiffsbau

Vor rund 15 Jahren befanden sich die europäischen Werften in derselben Situation wie die Windkraftanlagenbauer heute: Die Produktion war händisch und teuer, die globale Konkurrenz saß ihnen im Nacken. Die europäischen Werften schieden einer nach dem anderen dahin und die letzten verbliebenen Hersteller suchten eilig nach der erlösenden Idee. Sie dachten um, gewährten dem Laser Einzug in ihre Hallen — und überlebten das Massensterben bis heute. Nielsen: „Dabei spielte vor allem das Laserhybridschweißen eine große Rolle. Wir konnten zeigen, dass es funktioniert und für die Automatisierung wirtschaftlich ist. So konnten wir es als Anwendungsverfahren zertifizieren lassen. Heute ist Laserhybridschweißen im Schiffsbau breit im Einsatz.“ Jetzt soll das Laserhybridschweißen auch die europäische Windkraftindustrie retten.

Hochmodernes 32-Kilowatt-Lasersystem

In den letzten fünf Jahren führten Nielsen und seine Kollegen vier vom dänischen Staat geförderte Projekte zu verschiedenen Elementen des Herstellungsprozesses durch. „Was die Laserpower angeht, durften wir hierfür aus dem Vollen schöpfen“, freut sich Nielsen. Das hochmoderne 32-Kilowatt-Lasersystem des LWT liefert genug Leistung für so ziemlich jede infrage kommende Materialdicke — pro Durchgang sind Schweißtiefen bis zu 25 Millimeter möglich. Zwei 16-Kilowatt-Scheibenlaser von TRUMPF sind hierfür mittels zweier 200-Mikrometer-Fasern mit einem Schweißkopf verbunden, der gemeinsam mit dem Lichtbogenschweißer auf einem Roboterarm sitzt. „Wir können mit diesem Set-up die Hybridverfahren sehr realitätsnah demonstrieren“, sagt Nielsen. „Da wir technologisch nicht limitiert sind, können wir uns voll und ganz auf das Prozessdesign konzentrieren.“

Techniker Jorgen Thomson von Force Technology will die Offshorewindenergie-Branche durch Laserhybridschweißen retten. Foto: Kasper Fladmose

Nähte mit einer Schweißtiefe von bis zu 25 Millimeter: Mit einem 32-Kilowatt-Laser simulieren die Ingenieure des LWT Laserhybridschweißprozesse für die maritime und Offshorewindkraftindustrie. Foto: Kasper Fladmose

Manuell dauert die Herstellung eines solchen Node, einer Unterwasser-Knotenpunkts für Windkraftanlagen-Gitterkonstruktionen, mehrere Tage. Ein von Force Technology / LWT entwickeltes Verfahren dauert lediglich ein paar Stunden. Illustration: Gernot Walter

Steen Erik Nielsen and Jorgen Thomsen

Die zwei Kämpfer für die Windkraftindustrie in Europa, wollen den Trick wiederholen: Projektmanager Steen Erik Nielsen und Techniker Jørgen Thomsen von Force Technology/LWT. Foto: Kasper Fladmose

Nur zwei statt zehn Schweißvorgängen nötig

Ein großes Thema waren Stoßfugen. Sie werden für die Konstruktion der Windkrafttürme gebraucht, die typischerweise aus mehreren Ringen zusammengesetzt sind. Die Ringe entstehen aus gewalztem Stahlblech, die man dann horizontal über eine Stoßfuge verschweißt. Auch die einzelnen Elemente selbst sind per Stoßfuge miteinander verbunden. Die Materialdicke beträgt dabei 40 bis 70 Millimeter. „Traditionell wendet man hier das Unterpulverschweißen an“, sagt Nielsen. „Damit die Naht wirklich hält, sind allerdings rund zehn Schweißgänge nötig. Mit einem von uns entwickelten Laserhybridschweißverfahren genügen zwei.“ Der Bearbeitungskopf fährt dabei jeweils einmal von beiden Seiten des Blechs über die Nahtstelle. Es entsteht eine verzugsfreie, hochqualitative Schweißnaht. „Die Bearbeitung beschleunigt sich um das Fünf- bis teilweise Zehnfache“, schwärmt Nielsen.

Zeitvorteil durch Laserschweißen

Andere Anwender bevorzugen es aus unterschiedlichen Gründen, nur einseitig zu schweißen. „Auch für die haben wir eine Lösung: das Wurzelschweißen.“ Zunächst bringen die Dänen die Wurzel per Schutzgasschweißen in das Material ein. Zur Vervollständigung der Naht genügt dann ein Hybridschweißgang. „Egal, für welche der beiden Varianten sich der Hersteller entscheidet: Der Zeitvorteil durch den Laser besteht so oder so“, sagt Nielsen.

Gitter am Meeresboden

Besonderes Augenmerk bei der Windkraftanlagen-Herstellung liegt auf den Komponenten, die unter Wasser stehen. Die Anlage fußt auf einer Gitterkonstruktion, deren Einzelteile extrem aufwendig herzustellen sind, insbesondere die sogenannte Node. Dabei handelt es sich um die Komponenten, die verschiedene Gitterelemente an Knotenpunkten miteinander verbinden. Ein Schweißer benötigt pro fertigem Einzelteil 30 bis 50 Schweißgänge. "Wie klingt es, wenn ich sage, dass wir mit unserem Verfahren nur eine Handvoll davon brauchen?", fragt Nielsen. Eine moderne Node besteht aus drei bis fünf Einzelteilen, zwei bis vier kleineren Röhrenelementen, die sich mit einem größeren verbinden. Das LWT begutachtete jede Fuge und machte sich an einen Plan für einen automatisierten Prozess. "Zwar variieren die Schweißtiefe und Fugengeometrie für jede der Fugen leicht, wir erkannten aber durch unsere Versuche schnell, dass sich auch hier das Wurzelschweißen anbietet", sagt Nielsen.

Die Ergebnisse stimmen. Und jetzt?

Die Wurzel wird durch einen Schutzgasschweißgang von innen vorbereitet, danach genügt ein Laserhybridschweißgang von außen, fertig ist die Node. "Insgesamt dauert die Konstruktion, um die Node zu schweißen, nun wenige Stunden", freut sich Nielsen. "Nach herkömmlichen Methoden kann man gut und gerne einige Manntage einplanen." Ist also davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren überall laserhybridgeschweißte Windkraftanlagen stehen? Nielsen hofft es jedenfalls. Die Zertifizierung der Verfahren ist bald fertig. "Jetzt muss sich nur noch jemand trauen, den Schritt in die Anwendungen zu gehen", sagt er. "Ich gehe davon aus, dass wir mindestens einen Hersteller überzeugen werden - und dann folgen alle anderen."

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