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Shuji Nakamura
Prof. Shuji Nakamura

Mehr Licht!

P rof. Shuji Nakamura, Physiknobelpreisträger 2014, hat sein gesamtes Forscherleben dem Licht gewidmet. In diesem Essay erklärt er, dass günstiges Licht Gold wert ist.

Endlich, endlich! Das Strom verschlingende Zeitalter glühender und fluoreszierender Leuchtmittel ist bald vorbei! Unzählige Stunden meines Lebens habe ich damit verbracht, Festkörperleuchtquellen, also LEDs und Laserdioden, zu entwickeln und zu erforschen. Es ging mir darum, für effiziente und zielgerichtete Lichtquellen zu sorgen. Darum freue ich mich, dass Glühbirnen und Leuchtstoffröhren nun langsam, aber sicher in die Technikmuseen wandern und die Festkörperleuchten die Erhellung der Welt übernehmen. Denn preiswertes Licht ist für mich ein Treiber, ja sogar ein Maßstab für Zivilisation. Können Sie sich die menschliche Zivilisation ohne Licht vorstellen?

Schon unsere Sprachen, Traditionen und Überlieferungen entstanden, weil sich die ersten Menschen, abends nach Jagd und Arbeit, im Scheine des Lagerfeuers etwas zu erzählen hatten. Das gilt auch heute noch.Gegenwärtig überspringen arme Gesellschaften eine komplette technische Zivilisationsstufe: Statt einer ineffizienten Glühlampe benutzen sie genügsame LEDs. Der Strom dafür kommt nicht aus einem zentralen Stromnetz, sondern aus einem Akku, der tagsüber mit günstigen Solarzellen aufgeladen wird. Stellen Sie sich die Konsequenzen vor!

Die Gesundheit verbessert sich, denn giftige Kerosinlampen verschwinden aus den Zimmern. Mehr noch: Schüler und Erwachsene können endlich auch abends lesen und lernen und sind nicht mehr auf das Tageslicht angewiesen. Das wird die Lesefähigkeit und das Bildungsniveau in armen Ländern erheblich erhöhen und damit auch die Chance auf Wohlstand steigern.

Lichtkultur

Licht steht für mich auch für Leben und Gesundheit: Mediziner heilen mithilfe von Licht. Manchmal geht es ihnen schlicht darum, die richtigen Stellen beleuchtet zu bekommen. Da hilft es, dass LEDs sehr klein sein können. Und so sitzen sie zum Beispiel an der Spitze winziger handgehaltener Chirurgenbestecke. So kommt das Licht genau dorthin, wo der Arzt es braucht. Da es kaum Wärme abgibt, kann man es sehr nahe an die Operationsstelle bringen.

Für unsere Körper werden immer häufiger künstliche Materialien eingesetzt, die mit Licht reagiert haben. Dentisten etwa modellieren Zahnpartien aus formbarem Kunstharz, der innerhalb von Sekunden härtet, wenn er einem bestimmten UV-Licht ausgesetzt wird. Auch Frakturen werden mit fotosensiblem Material bei der Heilung unterstützt.

Licht wird uns schützen: Gegenwärtig arbeiten Kollegen von mir an UV-LEDs, mit denen man Oberflächen desinfiziert. Andere Kollegen benutzen bestimmtes UV-Licht und aktivieren damit Medikamente gezielt und lokal im Körper des Patienten an bestimmten Zellen oder Pathogenen. Das bewahrt uns vor unerwünschten Nebenwirkungen. Für all diese Anwendungen ist es von Vorteil, dass sich die Wellenlänge von Festkörperleuchten sehr gut steuern lässt.

Auch in der medizinischen Forschung ist der geschickte Einsatz von Licht ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Gewinner des Nobelpreises für Chemie 2014 konnten Licht sogar dazu benutzen, Strukturen und Bewegungen sichtbar zu machen, die kleiner sind als eine halbe Wellenlänge des Lichts. Die Arbeit von Eric Betzig, Stefan Hell und William Moerner ermöglicht so eine Nanoskopie, die uns zeigt, wie Moleküle sich zu Synapsen formen.

Das hilft uns, Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer besser zu verstehen. Bei der Einsatzflexibilität von Festkörperleuchtquellen in Medizin und Biologie sehe ich noch viel Verbesserungspotenzial. Beispielsweise sollte es uns bald gelingen, die Wellenlänge noch tiefer in den ultravioletten Bereich zu drücken. Das hätte viele weitere Anwendungsmöglichkeiten zur Folge.

Stimmungsaufheller

Licht wird uns helfen, uns besser zu fühlen. Ich finde es schon länger faszinierend, herauszufinden, welchen Effekt Licht auf unsere Stimmung hat, oder besser: auf unsere Physiologie. Alle Eltern in Industrieländern wissen, dass sie ihre Kinder ab und zu an die frische Luft schicken sollten. Das ist natürlich aus vielerlei Gründen gut, aber eben auch, weil unsere Haut UVB-Strahlung aus dem Sonnenlicht braucht, um Vitamin D zu bilden.

Auch die circadiane Rhythmik – also der innere Rhythmus des Menschen über 24 Stunden betrachtet – wird mit Licht gesteuert. Wir können uns das zunutze machen und geeignetes Blaulicht in Büroräumen installieren. Das hebt die Stimmung und die Produktivität. In manchen Flugzeugen ist die Beleuchtung so eingestellt, dass sie den Passagieren hilft, den Jetlag zu mindern. In Ländern mit langen, dunklen Wintern – etwa in Schweden – gibt es Tageslichtduschen an Bushaltestellen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine solche einfache Lichttherapie einen starken, positiven Effekt auf das Gemüt der Menschen hat. Mediziner bekämpfen so weltweit Depressionen und Schlafstörungen.

Shuji Nakamura
Prof. Shuji Nakamura

wurde 1954 im südjapanischen Ikata geboren. 1993 entwickelte er die erste hochbrillante, blau strahlende Leuchtdiode aus Indiumgalliumnitrid. Das blaue Farbspektrum fehlte noch, um LEDs herzustellen, die weißes Licht emittieren.

2014 bekamen Shuji Nakamura, Isamu Akasaki und Hiroshi Amano gemeinsam den Nobelpreis in Physik für ihre bahnbrechenden Forschungen, die effizientes LED-Licht ermöglichten. Seit 2000 lehrt Nakamura an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara.

 

Ich gehe viel in der Natur spazieren. Das bringt mich auf neue Gedanken. Einmal dachte ich: Wie selbstverständlich uns doch das Licht ist. Doch was ist Licht eigentlich? Ich meine nicht die alte Streitfrage, ob Welle oder Teilchen. Ich meine: Was bedeutet es uns? Für Pflanzen bedeutet Licht Nahrung. Für uns Menschen ist es dagegen vor allem Mittler von Information – geistige Nahrung sozusagen. Das zeigt auch ein Blick auf die Sprache: Ein Lehrer erhellt uns eine Sache, das Verständnis über die Welt explodierte im Zeitalter der Aufklärung und die Polizei bringt Licht ins Dunkle.

Der kleine, beleuchtete Bildschirm Ihres Smartphones vermittelt Ihnen Information als Licht ins Gehirn. Die bedeutendste Skulptur einer Ausstellung erkennen Sie an der Beleuchtung. Ein Lämpchen hat es auch an die Spitze Ihrer Bohrmaschine geschafft. So sehen Sie besser, wohin Sie bohren. Auch im technischen Sinne trägt Licht Informationen: Das Rückenmark des Internets sind riesige Glasfaserkabel, die neue Staffel Ih rer Lieblingsserie übersetzt Ihnen ein Blu-Ray-Player. Und Li-Fi-Systeme transportieren immer öfter Informationen durch den offenen Raum: Eine Fotodiode wandelt  das blinkende Licht einer Leuchtdiode in elektrische Impulse um. Das erste Handy mit Li-Fi gibt es schon.

„Toni, mach den Laser aus!“

Was bringt die Zukunft? Mehr Licht! Denn bei der effizienten Lichtgewinnung sind wir noch lange nicht am Ende: Am Solid State Lighting and Energy Electronics Center in Santa Barbara arbeite ich mit meinen Kollegen derzeit daran, Laser zur Beleuchtung zu entwickeln. LEDs leiden immer noch an dem sogenannten Droop – sie verlieren an Effizienz, wenn sie mit höherer Stromstärke betrieben werden.

Laser kennen dieses Problem nicht. Darum möchten wir mit Lasern eine kleinere, hellere Lichtquelle verwenden. Das wird uns auch das Design des Wärmeableiters und der Optik erleichtern. Wir hoffen, dass in der nahen Zukunft mal eine Mutter zu ihrem Sohn sagen wird: „Toni, mach den Laser aus und schlaf jetzt.“

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