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Athanassios Kaliudis

Richtung Laser bitte einsteigen!

V on den Vorteilen, die der Laser der Automobilindustrie beschert, könnte auch der Schienenfahrzeugbau profitieren. Das war die Gründungsidee der Photon AG. Das jüngste Prestigeprojekt beweist, dass die Idee goldrichtig ist.

Vor zehn, fünfzehn Jahren schien das Stahlzeitalter in der Automobilindustrie zu Ende zu gehen. Die Ära des Aluminiums wurde ausgerufen. Dann kamen Laserschweißen, Tailored Blanks, 3-D-Laserschneiden, höchstfeste Stähle, enorme Produktivitätsschübe und die Geburt des Stahlleichtbaus im großen Stil. Diese Entwicklung in den Schienenfahrzeugbau zu tragen ist das Erfolgsrezept der Photon AG aus Berlin und die Mission von Holger Alder, dem technischen Vorstand.

„In der Automobilindustrie hat der Laser längst unter Beweis gestellt, dass er Prozesse effizienter, günstiger und schneller machen kann oder komplett neue Wege der Konstruktion ermöglicht“, sagt Alder, der selbst von einem Autobauer zur Photon AG kam. „In den letzten Jahren haben wir immer wieder gezeigt, dass sich die dort eingesetzten Technologien auf den Schienenfahrzeugbau übertragen lassen. Aber natürlich nicht eins zu eins. Da braucht es schon etwas Umdenken und Überzeugungsarbeit.“

Strenge Sicherheitsvorschriften

Die beiden letzten Sätze sind ein kleines Understatement, wie die Erfahrungen aus den Gründungsjahren der Photon AG zeigen. Schließlich sind die Unterschiede zwischen Fahrzeug- und Schienenfahrzeugbau offensichtlich eher groß. Während Losgrößen in der Automobilindustrie häufig in die Hunderttausende gehen, sind Aufträge mit mehreren Hundert Komponenten in der Bahnindustrie schon eine ordentliche Hausnummer.

Zudem sind die Sicherheitsvorschriften im Schienenfahrzeugbau gerade bei Hochgeschwindigkeitszügen teilweise deutlich strenger als in der Automobilindustrie und die Verfahren entsprechend langwieriger. Wer für ein Produkt einmal alle erforderlichen Stempel und Zertifikate bekommen hat, überlegt es sich zweimal, ob er die Konstruktion noch einmal von Grund auf überarbeiten möchte. „Copy and Paste birgt das geringste Risiko“, sagt Alder mit einem Schmunzeln.

Herausforderungen wie in der Automobilindustrie

Gleichzeitig treiben die Bahnindustrie aber ganz ähnliche Probleme an, wie die Automobiler. So rückt etwa das Gewicht der Züge zunehmend in den Fokus. Da Waggons und Lokomotiven nicht selten bis zu 30 Jahre in Betrieb sind, fährt jedes unnötige Kilo Millionen Kilometer mit und verschlechtert die Energiebilanz des Zugs langfristig.
Außerdem wird die Effizienz in der Produktion immer wichtiger, da auch diese immer schneller und kostengünstiger ablaufen soll. Damit sind es praktisch dieselben Herausforderungen wie in der Automobilindustrie, die den Einsatz des Lasers auch für den Schienenfahrzeugbau attraktiv machen. Die Photon AG hat diese Herausforderungen dank der Vorteile der Laserbearbeitung inzwischen hundertfach gemeistert.

Prestigeträchtiger Großauftrag: ICE 4

„Der Laser ermöglicht es uns, beim Schweißen der Bauteile Kosten, Zeit und Material zu sparen und zugleich die Qualität zu erhöhen“, sagt Alder. Eine Erkenntnis, die sich in der Branche zunehmend durchsetzt und die der Photon AG 2014 schließlich einen prestigeträchtigen Großauftrag einbrachte: die Fertigung der Seitenwände, von Dachbaugruppen und Teilen der Untergestelle der circa 1.600 Waggons des neuen ICE 4, den Siemens/Bombardier für die Deutsche Bahn baut.

Vor der Prototypenfertigung legte Photon mit dem Kunden das Fertigungskonzept der Seitenwände fest. Diese setzen sich nun aus fünf Modulen à fünf Meter Länge zusammen, die die Photon AG nahezu komplett vorfertigt, ehe sie Bombardier im eigenen Werk zusammenfügt.

Zurück zum Stahl

Beim Material vollzieht der ICE 4 einen Wechsel zurück zum Stahl. Um seine Vorgänger möglichst leicht zu halten, wurden deren Wagenkästen aus Aluminium gefertigt. „Dieses Material assoziieren viele zu Recht mit Leichtigkeit“, sagt Alder. „Allerdings hat Aluminium allgemein eine geringere Zugfestigkeit als Stahl, die für die gewünschte Tragfähigkeit durch größere Materialdicken und großvolumige Profile kompensiert werden muss.“

Da Züge in ihrer Breite aufgrund der Schienenwege begrenzt sind, konnte sich dieses notwendige Volumen nur in Fracht- oder Passagierräume ausdehnen. Der ICE 4 zielt darauf, mit einer Außenhaut in Stahlleichtbau den verlorenen Raum für die Passagiere zurückzugewinnen. Natürlich ohne an Gewicht zuzulegen oder Abstriche bei der Steifigkeit und Unfallsicherheit zu machen. Anforderungen, die Photon aus der Automobilindustrie kannte und dank des Lasers erfüllen konnte.

„Um das Gewichtsziel einzuhalten, darf der Großteil der Stahlaußenwand nicht dicker als zwei Millimeter sein. Würden wir diese Dicke allerdings konventionell schweißen, sähe die Außenwand wegen des hohen Wärmeeintrags aus wie eine Berg- und-Tal-Bahn“, erklärt Alder. „Aufgrund der sehr guten Qualität der Laserstrahlschweißnähte fügen wir auch diesen dünnen Stahl fast ohne Verzug und nahezu nachbearbeitungsfrei.“ Weitere Gewichtseinsparungen werden durch den Einsatz von Tailored Blanks erreicht, bei denen alle Abschnitte der Außenhaut immer nur die tatsächlich benötigte Dicke haben.

Herausfordernde Serienfertigung

Sieben ICE-4-Züge wurden bereits mit Seitenwandsegmenten von Photon ausgestattet und sind teilweise schon im Testbetrieb, vier weitere befinden sich in der Fertigung. Wenn die Serienfertigung Ende 2016 startet, werden pro Tag zehn Segmente produziert, also die Außenhaut eines kompletten Waggons. Die Logistik für eine solche Anzahl von Bauteilen in diesen Dimensionen ist eine weitere Herausforderung, mit der die Photon AG dank ihrer Erfahrung problemlos fertig wird. Schließlich hat das Unternehmen in den letzten drei Jahren knapp 3.000 Seitenwände für Regionalzüge mit bis zu 16 Meter Länge gefertigt. Daneben sind fünf Meter fast schon handlich.

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Für Holger Alder ist der Großauftrag ein weiterer Meilenstein im Schienenfahrzeugbau.

Bild: Angelika Grossmann

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In ihren Laserkabinen fertigt die Photon AG Waggonseitenwände mit bis zu 25 Meter Länge.

Bild: Angelika Grossmann

„Die große Herausforderung bei diesem Projekt besteht darin, die zeitlich optimale Automatisierung für die Produktion der Außenwandsegmente zu finden“, sagt Alder. Deshalb fertigt Photon die Segmente in zwei Laserkabinen, die jeweils von zwei Seiten aus gerüstet werden können. In den Kabinen verschweißt je ein Roboter die Blechteile miteinander sowie mit den Längs- und Querstreben zur Stabilisierung. Während eine Vorrichtung die Kabine mit der geschweißten Baugruppe verlässt und die nächste Vorrichtung einfährt, speist ein TruDisk Scheibenlaser den Schweißroboter in der anderen Kabine. So wird der Laser stets optimal ausgenutzt.

Luftfahrt im Blick

Erst Automotive, dann die Bahnindustrie: Die Photon AG weiß, wie man sich eine neue Branche erschließt − die nächste ist schon im Visier: „Durch unsere Erfahrungen in der Konstruktion und Produktion von sicherheitsrelevanten Bauteilen und den Fokus auf kleinere und mittlere Serien sind wir prädestiniert für Aufgaben der Luftfahrtindustrie. Dort wollen wir in den kommenden Jahren weitere Aufträge gewinnen.“
Dabei verliert das Unternehmen nie aus dem Blick, dass die Kunden marktfähige Preise erwarten. „Nur weil ich auf ein Teil ,mit dem Laser gefertigt‘ schreibe, kauft mir das noch lange niemand ab. Was die Kunden schließlich überzeugt, ist die hohe Qualität zu einem Preis, der mit dem konventionellen Schweißen vergleichbar ist − oder sogar günstiger.“

Photon AG

Die Photon AG ist auf die Entwicklung und Anwendung industrieller Laser-Applikationen in der Metallbearbeitung spezialisiert. Ihr Schwerpunkt ist das Laserschweißen. Außerdem bietet das Unternehmen Produkte und Dienstleistungen für die Signal-, Kommunikations- und Fernmeldetechnik, Blechbearbeitung und Gehäusetechnik an.

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