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Daniel Kurr

„Wir drucken deinen Knochen“

D er Traum: Implantate, die sich exakt zwischen oder in die gewachsenen Knochen einfügen und sich haargenau so belasten lassen wie echte Knochen, die sie ersetzen. Heraeus Amloy will diesen Traum verwirklichen.

Frau Melde, was hindert uns im Moment eigentlich daran, passgenaue Implantate mithilfe des 3D-Druck-Verfahrens herzustellen?

Unter anderem die erforderlichen mechanischen Eigenschaften. Knochen sind zugleich sehr leicht, sehr hart und sehr flexibel. Die heutigen Materialien bieten nur einen Kompromiss aus diesen Eigenschaften. So sind metallische Werkstoffe zu steif und Polymere zu weich. Mithilfe des 3D-Druckes könnten jedoch individuelle Implantate hergestellt werden.

Und das wäre wünschenswert?

Ja. Im Moment ist es so, dass die Chirurgin oder der Chirurg oft improvisieren, um Serienimplantate an die Patienten anzupassen. Sie biegen sie von Hand in die endgültige Form und fixieren sie mit Schrauben. Deswegen wollen wir Abhilfe schaffen!

Wie das?

Indem wir passgenaue Implantate aus einem besonderen Werkstoff drucken: amorphem Metall.

Klingt ziemlich fancy! Was ist amorphes Metall?

In einer gewöhnlichen Metallschmelze schwirren die Atome wild durcheinander. Wenn die Temperatur sinkt, werden sie langsamer und ordnen sich zu einer energetisch günstigen Form, den Kristallgittern, an. Kühlt die Schmelze jedoch mit 200 Kelvin pro Sekunde ab, können sich die Atome nicht umlagern und frieren im schmelzflüssigen Zustand ein. Das formlose Atom-Durcheinander der Schmelze bleibt im erstarrten Metall erhalten. Bei Amloy entwickeln wir Legierungen, die diesen Prozess ermöglichen. Das Gleiche passiert übrigens in Glas. Deshalb sprechen wir bei amorphen Metallen auch von metallischen Gläsern.

Radiusplatten aus amorphem Metall druckt Heraeus Amloy auf der TRUMPF TruPrint 2000. Individuelle Implantate aus dem 3D-Drucker werden die Medizintechnik revolutionieren. Da ist sich Valeska Melde, Head of Marketing and Sales bei Heraeus Amloy, sicher.

Amorphe Metalle entstehen durch Schockfrosten von Schmelze. Die Atome erstarren ungeordnet und bilden kein kristallines Gitter.

Das Unternehmen Heraeus Amloy entwickelt und vertreibt amorphe Legierungen und stellt im Auftrag Komponenten daraus her. Zirkoniumbasierte Varianten sind bereits verfügbar, weitere auf der Basis von Titan sollen folgen.

Was bringt das jetzt für die Implantate?

Weil amorphe Metalle keine Kristallgitter haben, verhalten sie sich ganz anders als „normale“ Metalle. Sie sind zum Beispiel gleichzeitig extrem fest, hochelastisch und sehr verschleißfest. Wie Knochen halten die Implantate dadurch enorme Strapazen aus. Nicht nur bei Schlägen und Stößen. Denken Sie nur an Kieferknochen beim Beißen und Kauen oder an einen Rippenbogen, der pro Jahr rund acht Millionen Atembewegungen mitmacht.

Und der 3D-Druck kann amorph?

Und wie! Wir haben gemeinsam mit TRUMPF das Verfahren dahin gehend weiterentwickelt, dass wir mit sehr feinem Fokus und extrem kleinem Schmelzvolumen arbeiten können. Die Wärme wird also schnell abgeführt. So schaffen wir die kritische Abkühlzeit von 200 Kelvin pro Sekunde: Aus dem Pulverbett wächst ein individuell angepasstes und amorph erstarrtes Implantat.

Also zwei in eins.

Sogar mehr! Der 3D-Druck von amorphem Metall hat noch einen entscheidenden Vorteil: Wir sind viel flexibler bei den Legierungen. Aktuell haben wir bereits zirkoniumbasierte Legierungen. Parallel arbeiten wir an einer amorphen titanbasierten Legierung. Wir optimieren diese, wie unsere anderen Legierungen, für den 3D-Druck. In der Medizintechnik sind sie ganz besonders gefragt. Denn amorphe Legierungen von Amloy haben ein Elastizitätsmodul nahe dem menschlichen Knochen, was für den Heilungsprozess und die Belastbarkeit der vormals geschwächten Stelle von enormem Vorteil ist. Unsere Legierungen sind korrosionsbeständig und biokompatibel.

Wann kann ich mir denn die ersten gedruckten Implantate einsetzen lassen?

Wir testen das momentan gemeinsam mit Partnern wie TRUMPF im Rahmen des Projekts „Clinical Additive Manufacturing for Medical Applications“ der Medizinischen Universität Graz. Die Ergebnisse sind vielversprechend und wir sind schon heute in der Lage, Implantate zu fertigen, die unsere Kunden dann testen und qualifizieren. Dass wir Ihre Knochen drucken, ist also bereits Realität. 

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