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Satellitenschwarm
Daniel Kurr

Unser Schwarm im All – wie der Laser den Weltraum revolutioniert

D ie Ära der erdnahen Satelliten hat begonnen. Die massenhafte Erschließung des Weltraums gelingt nur mit modernster Lasertechnik – beim Bau, in der Kommunikation und als orbitaler Verkehrspolizist.

Vom Mond aus sieht unser Heimatplanet aus wie eine blaue Kugel mit farbigen Klecksen und weißen Streifen. In absehbarer Zeit wird er eher einem Bienennest ähneln – statt von Insekten allerdings umschwirrt von waschmaschinengroßen Satelliten. Milliardäre wie Elon Musk und Jeff Bezos wollen mit ihren Firmen SpaceX und Amazon jede Menge Satelliten in die erdnahe Umlaufbahn (Low Earth Orbit, LEO) bringen. Die Satelliten sollen zur Lösung drängender Fragen der Zukunft beitragen: Wie gesund sind die Ackerböden? Wie kann man den Verkehr besser planen? Wie bewältigen wir die immense künftige Datenflut?

Die Aussichten sind gut, auch für Geschäftsleute: Die LEO-Technologie wird sich nach Ansicht von Experten zum Multimilliarden-Markt entwickeln. Allein ein Blick auf die beeindruckenden Zahlen reicht, um zu sehen, wie selbstbewusst die Satellitenbauer den Markt einschätzen. Bezos' Amazon hat die Genehmigung zum Start von 3.236 Satelliten unter dem Namen Project Kuiper beantragt. Das ehrgeizigste Ziel verfolgt SpaceX: Musks Unternehmen hat die Vision, unglaubliche 42.000 ­Satelliten für ein weltumspannendes Kommunikationsnetz hochzuschießen – jedenfalls wenn es gelingt, die Kosten für die Massenproduktion und den Betrieb deutlich zu senken.

Die rasenden Reporter im All

Das ist kein leichtes Unterfangen, denn je näher die Umlaufbahn an der Erde ist, desto höher muss auch ihre Geschwindigkeit sein, um der irdischen Schwerkraft entgegenzuwirken. Herkömmliche Kommunikationssatelliten bewegen sich in einer Höhe von etwa 36.000 Kilometern synchron mit der Erdumdrehung mit ungefähr 11.000 Kilometern pro Stunde. LEO-Satelliten befinden sich hingegen in einer Höhe von nur 500 bis 2.000 Kilometern und fliegen mit einer Geschwindigkeit von etwa 27.000 Stundenkilometern, also schneller als die Erdumdrehung. Sie umrunden daher alle 90 bis 120 Minuten die Erde, weshalb jeder Satellit nur für einen Zeitraum von wenigen Minuten mit einem Bodensender kommunizieren kann. Das ist der Grund, warum SpaceX so viele Satelliten braucht: Sobald einer die Reichweite des Empfängers wieder verlässt, kommt auch schon der nächste – wie bei einem Staffellauf. Nur so ist eine kontinuierliche Verbindung gewährleistet. Das ist nicht nur für den Netflix-Zuschauer auf der Erde wichtig, sondern auch für SpaceX: Sollte ein Satellit mal mit einem Stück Weltraumschrott kollidieren und zerschellen, gefährden seine Trümmer als neuer Weltraumschrott sofort alle anderen LEOs auf derselben Umlaufbahn. Darum ist es wichtig, stets in Echtzeit zu wissen, was die Satellitenschar macht.

Aber warum nehmen die Unternehmen überhaupt diesen Aufwand in Kauf? Warum gehen sie nicht wie bisher in die höheren Regionen? Weil die Nähe zur Erde einen immensen Vorteil bringt: flinken Datenfluss. Die Zeit, die für das Senden und Zurücksenden der Daten benötigt wird – die so genannte Latenzzeit – ist bei LEO-Satelliten weitaus geringer als bei den weiter entfernten. In den klassischen Umlaufbahnen beträgt eine mittlere Latenzzeit fast 600 Millisekunden. SpaceX strebt 20 Millisekunden an und später sogar die Hälfte davon. Da sich Signale im Orbit schneller ausbreiten als über Glasfaserkabel, haben LEO-Satelliten das Potenzial, mit den bodengestützten Netzen zu konkurrieren und sie womöglich sogar zu übertreffen.

Neue Infrastruktur per Laser

Fest steht jedenfalls schon jetzt: Die LEO-Satelliten werden ein wesentlicher Bestandteil der künftigen Breitbandkommunikation, schaffen eine neue Infrastruktur im All – und die Lasertechnik spielt im Bau und Betrieb eine Hauptrolle. Das ist nicht überraschend, denn im Satellitenbau kommen ohnehin Hightech-Werkstoffe zum Einsatz, die Ingenieure am liebsten per Laser bearbeiten. Und nun kommt noch eine weitere Laser-Innovation hinzu: der Metall-3D-Druck von Bauteilen wie zum Beispiel Antennen.

3D-Druck

Für die Datenübertragung im Äther werden spezielle Antennen benötigt, die äußerlich nichts mehr mit traditionellen Antennen zu tun haben. Im unteren Bereich befindet sich ein Hohlleiter mit speziellen Geometrien als Filter. Diese Strukturen sind so gebaut, dass sie die elektromagnetischen Wellen verstärken oder in bestimmten Frequenzbereichen dämpfen. Der obere, breitere Teil ist der Ausgang, an dem die Daten übertragen werden. Durch Phasenversetzung kann die Antenne ihre Daten in eine bestimmte Richtung lenken, ohne dass sie sich dafür drehen muss. Die Herstellung der Antennen ist eine filigrane Meistertat. Sie weisen Strukturen auf, die sich mit konventionellen Verfahren wie Drehen, Fräsen, Gießen oder Biegen nicht herstellen lassen. Da schlägt die Stunde des 3D-Druckers: Er kann jede noch so verdrehte, komplexe Form aufbauen – und deshalb eben auch die kurvigen Hohlräume mit ihren extrem dünnen Wänden und stabilisierenden Rippen. Diese Geometrien haben großen Einfluss auf die Frequenz, die an den Antennen anliegt.
Je höher die Frequenz, umso höher ist der Datendurchsatz und umso kleiner müssen die Bauteile letztendlich werden. Die winzigen Laser-Spotgrößen moderner additiver Fertigungssysteme erlauben feinste Wandstärken von bis zu 100 Mikrometern, abhängig von der Geometrie. Der Drucker kann Material haargenau so verteilen, dass die Geometrie dem Kraftfluss folgt. Der 3D-Druck kann auf diese Weise jede Idee eines Ingenieurs eins zu eins in Metall materialisieren – und das mit höchster Präzision in Serie.

Das zweite Hoheitsgebiet des 3D-Druckers sind Halterungen im Satelliten, die die Antennen oder andere Bauteile tragen, sogenannte Brackets. Sie sind zahlreich und unentbehrlich. Aber sie brauchen Platz und tragen zum Gesamtgewicht bei. Auch hier kann der 3D-Druck Abhilfe schaffen. Jetzt endlich können Ingenieure die Brackets auf das Minimum an Material reduzieren, indem sie sie – wie die Antennen – in den exakt berechneten Kraftflüssen folgenden Formen drucken. 55 Prozent Gewichtsersparnis pro Bracket sind möglich. Für einen Satelliten mit unzähligen Brackets kommt da einiges an neuer Leichtigkeit zusammen.

3D-Druck

Mit dem 3D-Druck dürfen Satelliten-Bauteile endlich das werden, was sie sein sollen: stark reduzierte, rein funktionale Formen, die fast nichts wiegen.

Nimm Platz im All

TRUMPF, die Europäische Weltraumorganisation (ESA) und weitere Projektpartner erforschen zudem den Laser-Druck von Spulen, die sich am Erdmagnetfeld orientieren und helfen, den Satelliten zu positionieren; sie sind kaum größer als eine Zweieuromünze. Bereits im Einsatz hingegen sind gedruckte Schubdüsen, die die Satelliten ausrichten. Sie haben innere Kanäle zur Kühlung und zur Führung von Treibstoff. Vor der Erfindung des 3D-Drucks war das fast nicht möglich und unendlich umständlich. Der Drucker jedoch formt die Kühlkanäle jetzt einfach mit, schlängelt sie durch die Wände, um eine ideale Brennstoffverteilung zu erreichen. Zudem spart der 3D-Druck erneut Gewicht. LEO-Satelliten-Bauer sind besessen davon, jedes Gramm zu sparen. Die wirtschaftliche Rechnung ist einfach: Jedes einzelne Kilo, das man ins All schießt, kostet. Mithilfe von Lasertechnik sind pro Satelliten Einsparungen von 10.000 bis 20.000 Euro denkbar. Bei der hohen Anzahl der Satelliten addiert sich das für die Unternehmen auf immense Millionenbeträge.

Weltraumschrott

Eine Schattenseite der LEO- Satelliten ist ihre relativ geringe Betriebsdauer von fünf bis sieben Jahren. Weil sie so nahe an der Erde entlangfliegen, sind sie großer atmosphärischer Reibung ausgesetzt und altern rasch. Danach werden sie per Fernsteuerung kontrolliert zum Absturz gebracht und verglühen in der Atmosphäre. Manchmal jedoch kollidieren Satelliten oder fallen komplett aus – dann werden sie zu Weltraummüll. Die erdnahe Umlaufbahn gleicht bereits einem gigantischen Schrottplatz: 3.000 funktionsunfähige Satelliten schweben um die Erde, 34.000 Einzelteile ab zehn Zentimeter und 128 Millionen Teile unter einem Millimeter. Und wo viel Zeug schwirrt, kann es krachen.

Das Institut für Technische Physik in Stuttgart, Teil des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, rückt mit Lasern direkt gegen den Weltraumschrott vor. Der Plan: Laser Nudging. Sie wollen Weltraumschrott von der Erde aus durch Photonen-Lichtdruck anstupsen. Dabei geht es gar nicht darum, die Teile mit Wucht aus dem Weg zu schucken. Es geht auch sanfter, denn das Nudging nutzt den Umstand, dass bei den hohen Geschwindigkeiten und den riesigen Strecken in der Umlaufbahn selbst minimale Abweichungen zu großen Bahnveränderungen führen. Und dafür reicht schon ein kleiner Schubser mit einer sehr geringen Menge an Energie. Der Schrott lässt sich somit mit wenig Aufwand zum Verglühen in die Atmosphäre lenken.

Weltraumschrott

Das DLR will Weltraumschrott per Laser zum Abstürzen und Verglühen bringen.

Tag-Auge für Trümmerjäger 

Aber dafür muss man die Schrottteile erst einmal aufspüren und verfolgen. Zum Glück gibt es auch hierfür eine laserbasierte Anwendung. Durch eine spezielle Kombination von Teleskopen, Detektoren, Lasern und Lichtfiltern bei bestimmten Wellenlängen gelang es zum Beispiel ESA-Forschern, den Kontrast von Himmelsobjekten zum Tageshimmel zu erhöhen und sie somit besser zu erkennen. „Mit der neuen Technik wird es möglich sein, bisher unsichtbare Objekte zu verfolgen, die am blauen Himmel lauerten, was bedeutet, dass wir den ganzen Tag mit Laserentfernungsmessungen arbeiten können, um die Kollisionsvermeidung zu unterstützen“, erklärt Tim Flohrer, Leiter des ESA-Büros für Weltraummüll.

Kommunikation

Auch in einem ganz anderen Feld werden Laserstrahlen das entscheidende Werkzeug für die neuen LEO-Satelliten: beim Austausch von Daten. Traditionelle Satelliten „stehen“ quasi über der Erde und kommunizieren mit der Bodenstation per Funkwellen. Die LEOs hingegen rasen ja mit einem Irrsinnstempo um die Erde und müssen sich daher nicht nur per Funk mit der Erde austauschen, sondern auch untereinander im All. Nur so können die Unternehmen eine permanente Netzabdeckung gewährleisten. Und auch da setzt man künftig auf Laser. Erscheint der rasende Satellitenkollege im Blickfeld des Suchalgorithmus, feuert der LEO einen Laserstrahl auf ihn, dicht gepackt mit Informationen. Ein fantastisches Präzisionsschießen im Weltraum – über 5.000 Kilometer hinweg! Forschern des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums bei München gelang es, per Laserstrahl 1,7 Terabit pro Sekunde zu übertragen und somit fast das fünfzigfache Volumen der Funkwellen.

Kommunikation

Laserkommunikation der Satelliten untereinander - ein fantastisches Präzisionsschießen im Weltall.

Neue Laser-Ära

Heute sind schon 1.500 SpaceX- Satelliten im Weltraum. Mit Apps wie „Star Walk 2“ kann man sich den Spaß machen, sie am Himmel zu suchen und von Woche zu Woche dem Schwarm beim Anschwellen zuzuschauen. Mit dem Smartphone in der Hand und der LEO-Schar über dem Kopf wird klar, dass wir in eine neue Ära eingetreten sind: das Zeitalter der massenhaften Satellitenkommunikation. Sie ist auch eine Ära der Lasertechnologie.

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