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Athanassios Kaliudis

60 Jahre Laser: Interview mit Laser-Legende Michael Bass

P rofessor Michael Bass war vom ersten Tag an dabei: Zahlreiche Innovationen in der Lasertechnik seit 1961 gehen auf ihn zurück. Ein Gespräch über unvollständige Untersuchungen, das Potenzial von Diodenlasern und die Zukunft des Physikers als TV-Reporter.

Prof. Bass, Ihre Erfolge in Forschung und Entwicklung sind so legendär wie zahlreich. Gibt es auch etwas, an dem Sie sich die Zähne ausgebissen haben?

An Diamanten. Es gibt natürlich noch einige andere Probleme, aber die Sache mit den Diamanten nervt mich bis heute.

Erzählen Sie bitte mehr darüber.

Vor acht Jahren ungefähr hatten ein Kollege und ich den Auftrag von einem Diamantproduzenten, die optischen Eigenschaften künstlicher Diaman­ten zu untersuchen, genauer gesagt von CVD-Diamanten. Wir hatten exzellente Ergebnisse für die Laserlichtabsorption vom nah-ultravioletten Bereich bis zu zehn Mikrometer Wellenlänge. Aber als wir kürzere Wellenlängen einsetzten, sahen wir zu unserer Überraschung eine violette Farblumineszenz, die sich in Stärke und Farbe unterschied, je nachdem, wo an der Wachstums­achse des Diamanten wir ansetzten. Unseren Auftraggeber störte das nicht. Er war mit den bisherigen Resultaten zufrieden und wollte nicht, dass wir weiterforschen. Ich nehme an, dass diese variierende Lumineszenz etwas mit dem Wachstums prozess des Diamanten zu tun hat. Es ärgert mich, dass wir diese Untersuchung unvollständig lassen mussten.

Nun ja, eine kleine Sache ...

Eben nicht! Unterschätzen Sie nicht die Bedeutung von Diamanten für die Lasertechnik! Sie werden eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie wir künftig Hochleistungslaserlicht transportieren können, ohne dass es unterwegs Schaden ver­ursacht. Denn Diamanten haben eine extrem hohe Wärmeleitfähigkeit. Heißt: Optische Elemente wie Spiegel, Beschichtungen oder Linsen aus Diamanten können die Wärme eines Hochleistungsstrahls abführen und dabei die Leistung aufrechterhalten. Gut, Hochleistungslaser gibt es heute auch schon ohne Diamanten. Aber nur mit aufgeteilter Leistung und großen Optiken wegen des Wärmeeintrags. Mit Diamanten könnten Sie kleinere und wahrscheinlich auch robustere Systeme bauen. Was spricht also gegen Diamanten?

Hm. Vielleicht, dass sie teuer sind?

Ja, aber nur künstlich teuer. Das liegt an der Schmuck industrie und den Händlermonopolen, die leider den Preis so gestalten können, wie es ihnen gerade passt. Doch technisch wäre es kein Problem, künstliche Diamanten zu einem billigen Massenprodukt zu machen. Diamant hat als optisches Material in der Lasertechnik enormes Potenzial. Ich hoffe, dass bald jemand anderes meine Untersuchung vervollständigt.

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Professor Michael Bass ist einer der Urväter des Lasers. Er hantierte bereits 1961 mit ihm. Auf den Physiker gehen zahlreiche Entwicklungen bei Festkörpern und Farbstofflasern, der Anwendung von Halbleiterlasern, optischen Glasfasern und Modellen von Faserlasern zurück. Er ist Träger vieler Preise und Auszeichnungen und wurde 2019 in die Florida Inventors Hall of Fame aufgenommen. (Bild: Marc Schmidt / Fotogloria)

Was würden Sie anpacken, wenn Sie heute dreißig wären?

Da muss ich nicht lange überlegen: ultrakurze Laserpulse! Und zwar aus drei Gründen: Die Physik dahinter ist schlicht faszinierend – die Interaktion von Material und Licht in so kleinen Zeitskalen. Die Anwendungsfelder sind riesig: Biologie, Chemie, Physik und was sonst noch alles. Und nicht zuletzt: Es gibt so viele Anwendungen in der Material­bearbeitung. Wenn ich heute dreißig wäre, würde ich daran arbeiten wollen, einfachere optische Systeme und robustere Konfigurationen für Ultrakurzpulslaser zu entwickeln und zuverlässig höhere Durchschnittsleistungen zu erreichen. Einfacher und besser – damit die Industrie diese faszinierende Technologie noch häufiger einsetzt.

Wo sehen Sie in der Lasertechnologie sonst noch wichtige Entwicklungen?

Wer hätte damals in den 1960er-Jahren gedacht, dass der meistverbreitete Laser ausgerechnet ein Halbleiter-Diodenlaser sein würde? Laserdrucker, Datenlesegeräte, Datenübertragung – er findet sich überall. Und doch ist diese Geschichte noch nicht zu Ende erzählt. In der Materialbearbeitung werden Diodenlaser hauptsächlich dafür eingesetzt, Festkörperlaser zu pumpen. Ich glaube, dass wir aus Diodenlasern noch einiges mehr rausholen – bessere Strahlqualität, eine höhere Bandbreite an Wellenlängen und sie zu noch besseren Pump lasern machen können. Aber denken Sie weiter: Warum eigentlich nur Pumplaser? Ich meine, wir können den Diodenlaser so optimieren, dass wir ihn künftig für sehr viel mehr Anwendungen in der Material­bearbeitung als direkte Strahlquelle einsetzen können. Vielleicht sogar für ultrakurze Pulse. Dies erfordert zwar noch eine Menge an Forschungszeit – aber warum nicht?

Sind Sie eigentlich noch in der Forschung aktiv?

Zum Glück gibt mir das Internet die Möglichkeit dazu. Ich arbeite derzeit mit einem ehemaligen Schüler, der heute ordentlicher Professor ist, an einem speziellen Fall, wo ultrakurze Pulse Schäden an optischen Materialien verursachen. Wir tauschen uns zu dem Problem aus, ohne dass wir uns im selben Raum aufhalten müssen. Auch sonst meldet sich immer mal wieder ein Student oder Postdoc bei mir und bittet mich, etwas gegenzulesen – was ich gern tue. Und ich versuche, mich mit der Lektüre von Fachartikeln auf dem Laufenden zu halten. Wie gesagt: Ich bin sehr froh, dass das heute durch das Internet so einfach möglich ist. Früher wühlte ich Zettelkästen in Bibliotheken durch und musste hoffen zu finden, was ich suchte. Mein neuestes Projekt ist allerdings etwas ganz anderes.

Was denn?

Ich helfe einem Freund, hier in Florida einen neuen, lokalen Fernsehkanal zu starten. Bis vor Kurzem wusste ich nichts über die Fernseh­industrie. Da musste ich mich erst mal reinfuchsen. Jetzt ist es bald so weit. Dieses Jahr geht es los. Und ich werde auch Teil des Programms sein.

Eine zweite Karriere im Fernsehen?
Was werden Sie tun?

Das, was Sie gerade tun: Ich werde Leute inter­viewen. In einer Sendung wird es um Medizin gehen. Ich möchte, dass die Leute die Diagnosen ihrer Ärzte und die Behandlung besser verstehen.

Nichts mit Lasern?

Diesmal nicht. Oder vielleicht doch? Gibt es überhaupt noch einen Teil des Lebens, wo der Laser keine Rolle spielt?

Gute Frage! Was glauben Sie?

Politik vielleicht. Andererseits: Computer, Handy, Glasfaser. Kein Lebensbereich, auch die Politik nicht, kommt heute ohne technische Kommunika­tion aus und keine technische Form der Kommu­nikation ohne Laser. Aber an der Kommunikations­technologie können Sie übrigens erkennen, wie rasant die Lasertechnologie in alltägliche Bereiche dringt. Ich sage immer, 1980 geschahen zwei Wunder. Erstens: Bei den Olympischen Winter­spielen besiegten die USA die Sowjetunion im Eishockey. Zweitens: Millionen Menschen verfolgten dieses Spiel live im Fernsehen, übertragen mittels eines lasergesteuerten Glasfasersystems – und das nur zehn Jahre nach der Entwicklung der aller­ersten verlustarmen optischen Faser! Das zweite Wunder ist bedeutender.

Wie schafft man es, solche Wunder zu vollbringen? Als ein Mensch, der in seinem Leben viele Erfindungen gemacht hat, haben Sie vielleicht einen Tipp, wie man zu Innovation kommt.

Kreativität ist oft wie ein Unfall. Ich habe versucht, das auch meinen Schülern klarzumachen. An meinem eigenen Beispiel: 1973 war ich gerade an der Universität Südkalifornien angekommen und traf auf ein paar frustrierte Gastroenterologen, die mit ihrem Endoskop blutende Geschwüre bei ihren Patienten sehen konnten, aber nicht wussten, wie sie sie behandeln sollten. Ich schlug beiläufig vor, mit einer Faseroptik Laserlicht in den Magen zu leiten und die blutende Stelle zu kauterisieren. Ich dachte, das sei eine innovative Idee. Die war es ja auch, wir erhielten ein Patent für das Konzept, aber es stellte sich heraus, dass es noch keine Faser gab, die dafür robust genug war. Also machte ich mich daran, eine solche zu entwickeln. Und aus dieser Weiterentwicklung, angestoßen von blutenden Geschwüren, entstanden neue optische Fasern für die Medizin. Das war die eigentliche Innovation! Sehen Sie, so ist es oft: Viele meiner Entwicklungen beruhen darauf, dass ich eine Idee hatte, und dann ging es nicht. Also schaute ich, was ich brauchte, um die Idee doch noch zu verwirklichen. Und das waren dann sozusagen nebenbei oft die bedeuten­deren Innovationen. Man könnte sagen: Innovation ist das, was passiert, wenn man eigentlich etwas anderes machen will.

Also kein Tipp?

Leiter von Forschungslaboren und Entwicklungs­abteilungen werden Ihnen sagen, dass man dafür sorgen muss, dass viele kreative Leute sich aus­tauschen können. Sie sollen also in der Kaffeeküche beisammenstehen und dann kommen neue Ideen raus. Das stimmt schon. Es ist wichtig, ein offenes, kreatives Umfeld zu schaffen. Aber man kann Innovation und Durchbrüche nicht erzwingen und schon gar nicht unterrichten. Neue Gedanken kommen. Oder sie kommen eben nicht. Es ist ein Rätsel.

Blöd, oder?

Nein. Tröstlich.

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Prof. Michael Bass lebt in Vero Beach, Florida. (Bild: Marc Schmidt / Fotogloria)

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