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Athanassios Kaliudis

Additiv abheben: Große Flugzeugteile mit LMD fertigen

D ie Luftfahrtbranche ist Pionier beim Einsatz additiver Fertigungsverfahren mit dem Laser. Doch an große Bauteile wollte sich die Industrie bislang nicht so richtig heranwagen. TWI Ltd. Aus Großbritannien will das nun ändern.

Die Zeichen für die Luftfahrtindustrie stehen gut: Die Internationale Luftverkehrsvereinigung IATA (International Air Transport Association) geht davon aus, dass sich die Passagierzahlen in den nächsten zwanzig Jahren weltweit verdoppeln werden. Es gilt also als ausgemacht, dass die Nachfrage nach Flugzeugen weiter steigt. Und klar dürfte auch sein: Gewinnen wird den Kampf um die Aufträge nur der Hersteller, der den Fluggesellschaften wirtschaftliche und kraftstoffsparende Flugzeuge liefert. Die Industrie sucht also fieberhaft nach Möglichkeiten, Bauteile leichter zu machen, neue Designs zu realisieren und gleichzeitig kostengünstig zu produzieren – nur so lässt sich das Rennen gewinnen. Ein Schwergewicht in der Branche ist Großbritannien. Das Königreich ist weltweit das drittgrößte Herstellerland in der Luft- und Raumfahrindustrie. Damit das mindestens so bleibt, hat die staatliche Innovationsagentur „Innovate UK“ ein Programm aufgesetzt, das neue Fertigungsverfahren erproben soll. Darunter ist auch das Projekt „Open Architecture Additive Manufacturing“ (OAAM). Ziel ist es, die Unternehmen davon zu überzeugen, dass sie in additive Technologien investieren.

Quelle: Darren O'Brien/Gernot Walter

Carl Hauser von TWI möchte LMD reif für große Komponenten machen.
© Darren O'Brien/Trumpf

Die Vorteile von 3D-Druck liegen auf der Hand

Wer mehr über das Vorhaben wissen möchte, muss nach Rotherham in South Yorkshire unweit der einstigen Stahlmetropole Sheffield fahren. Dort hat TWI einen Forschungsstandort. Das weltweit tätige Institut hat sich auf Schweiß- und Fügetechniken spezialisiert und leitet das OAAM-Projekt, an dem mehrere Universitäten, aber auch Unternehmen wie Airbus mitwirken. Carl Hauser kann es kaum erwarten, mit den Forschungsarbeiten zu beginnen. Der Wissenschaftler managt ein 16-köpfiges Team, das sich auf Fertigungsverfahren mit dem Laser spezialisiert hat. Die Vorteile des 3D-Drucks liegen für ihn auf der Hand. Mit dem Laser sind Geometrien möglich, die eine Fräsmaschine niemals hinbekommen würde. Zudem können wir eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien einsetzen, von denen wir nur so viel verbrauchen, wie tatsächlich notwendig.“ Zur Verdeutlichung: Bei den zerspanenden Methoden ist es nicht ungewöhnlich, dass man 40 Kilogramm Rohmaterial benötigt, um eine Komponente herzustellen, die gerade mal ein Kilogramm wiegt. Da bei Flugzeugen teure Materialien wie Aluminium oder Titan verwendet werden, ist das nicht unerheblich.

Darren O'Brien/Gernot Walter

Carl Hauser will als Lasertechniker bei TWI herausfinden, was mit LMD in der Luftfahrt möglich ist.
© Darren O'Brien/Trumpf

Die Luftfahrt ist Pionier beim 3D-Druck

Nun ist es nicht so, dass additive Verfahren der Luftfahrtindustrie fremd sind. Im Gegenteil: Die Branche zählt zu den ersten überhaupt, die den 3D-Druck für sich entdeckt haben. Verfahren wie das düsenbasierte Laserauftragschweißen (Laser Metal Deposition, kurz LMD) kommen seit vielen Jahren zum Einsatz. Das beste Beispiel sind Teile für Turbinen. Nur: Die Bauteile waren bislang eher klein. Das OAAM-Projekt möchte sich nun auch an größere Komponenten wagen und aus dem Zentimeter- in den Meterbereich gehen. Auch größere Flugzeugkomponenten, wie zum Beispiel Turbinengehäuse, sollen mit dem LMD-Verfahren möglich sein. Was den Laser angeht, sieht Hauser keine Probleme. Was die Maschine angeht, allerdings schon: „Es gibt bisher einfach keine geeigneten Anlagen, die größere Komponenten prozesssicher fertigen können.“ Den Anfang hat er bereits gemacht: In Kürze werden er und sein Team mit einer TruLaser Cell 7040 die ersten Tests beginnen können. „Wir arbeiten schon seit 15 Jahren mit einer TRUMPF Maschine, allerdings reichten die Dimensionen nicht mehr für die Anforderungen im OAAM-Projekt“, erklärt Hauser.

Darren O'Brien/Gernot Walter

Die TruLaser Cell 7040 haben die Ingenieure von TRUMPF speziell an die Anforderungen von TWI angepasst. In den kommenden zwei Jahren wird sich zeigen, was mit dem LMD-Verfahren noch alles möglich ist.
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Wie verhindern, dass Aluminium oxidiert?

Mit einer größeren Maschine allein ist es jedoch nicht getan. Wer große Komponenten generieren möchte, muss den Aufbauprozess stabil und sicher beherrschen. Genau das ist aber die Krux: „Gerade bei empfindlichen Materialien wie Titan oder Aluminium ist eine stabile Schutzatmosphäre entscheidend, um sie vor Oxidation zu schützen“, erklärt Hauser. In der LMD-Praxis wird dabei Schutzgas, wie zum Beispiel Argon, verwendet, damit kein Sauerstoff an das  zu bearbeitende Werkstück kommt. Bei kleinen Komponenten ist das mit flexiblen Kammern inzwischen kein Problem mehr, aber bei großen? „Da wird es definitiv komplizierter“, konstatiert Hauser. Die ganze Anlage unter Schutzgasatmosphäre zu setzen, würde zu viel kosten und wäre zu zeitaufwendig. Alternativen könnten nachgeschleppte Einhüllungen sein mit Diffusoren, die einen großen Bereich mit kontrollierten Laminarströmungen inerten Gases oder neuartiger Gasmischungen versorgen. „Mit welchen Zusatzkomponenten wir dieses Problem lösen, müssen wir nun gemeinsam mit den Industrieunternehmen herausfinden“, sagt Hauser. Ziel ist es, dass Flugzeugbauer am Ende die LMD-Technologie in ihren Produktionsalltag integrieren können.

Der Laser kann in der Luftfahrt Grenzen sprengen

Wenn Hauser und seinem Team gelingt, was sie vorhaben, könnten Flugzeugbauer in ganz neuen Dimensionen denken und Geometrien mit neuartigen Materialien verwirklichen, die bislang nicht möglich waren. „Die aktuellen Fertigungsverfahren limitieren die Kreativität der Ingenieure, der Laser kann diese Grenzen sprengen“, ist Carl Hauser überzeugt. Aber gibt es, was die Größe der Bauteile betrifft, nicht doch Grenzen für das LMD-Verfahren? „Die Wahrheit ist: Wir wissen es nicht. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir weitaus größere Bauteile realisieren können, als wir bislang dachten.“ Das OAAM-Projekt ist auf weitere zwei Jahre angelegt – dann wird sich zeigen, was in der Luftfahrtbranche noch alles möglich ist.
 

Erstmals in der Laser Community im Herbst 2019 erschienen.

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Quelle: TRUMPF