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TRUMPF/ Carsten Behler
Athanassios Kaliudis

Diese Frau will mit Terahertzwellen das Leben erforschen

L eistungsstarke Lichtwellen im Terahertzbereich sind schwer zu erzeugen und zu steuern, doch Prof. Clara Saraceno hat es geschafft. Jetzt werden Forscher damit das Leben selbst untersuchen.

Prof. Saraceno, Sie beschäftigen sich mit Terahertzwellen. Was ist das überhaupt?

Von Infrarot- und Mikrowellen hat ja vermutlich jeder schon einmal gehört. Zwischen diesen beiden gibt es auf dem elektromagnetischen Spektrum einen Bereich von Wellen, die eine Frequenz von irgendwas zwischen 0,1 und 10 Terahertz aufweisen. Das sind die Terahertzwellen. Diese Wellen haben viele interessante Eigenschaften. Zum Beispiel eignen sie sich hervorragend dafür lebende Systeme abzutasten und bildgebende Verfahren für die Biochemie zu gewinnen. Leider hat die Forschung in der Vergangenheit die Terahertzwellen etwas vernachlässigt.

Woran liegt das?

Es ist schwierig, Terahertzwellen zu erzeugen und einzusetzen. Ein Problem ist, dass sie relativ lange Wellenlängen aufweisen. Das macht es schwer, sie auf einen kleinen Punkt zu fokussieren, viel schwerer, als das bei typischem Laserlicht der Fall ist. Ein weiteres Hemmnis ist, dass Terahertzwellen fabelhaft von Wasser absorbiert werden und damit auch von Wassertröpfchen in der Luft, also der normalen Luftfeuchtigkeit. Das Licht verliert sich entsprechend schnell. Nach wenigen Zentimetern Luft oder wenigen Millimetern Wasser ist kaum noch etwas übrig. Um trotzdem biologische Zustände mit Terahertzwellen messen zu können, muss man viel Energie in sie hineinpumpen. Was uns zur Strahlquelle bringt.

Erzählen Sie uns mehr darüber!

Hier in Bochum und anderswo arbeiten 200 Wissenschaftler in einem riesigen Forschungscluster daran, den Einfluss von Lösungsmitteln in der Biochemie besser zu verstehen. Die Aufgabe meiner Gruppe ist es, leistungsstärkere Terahertzquellen zu bauen, mit denen die anderen Forscher dann ihre Messungen machen können. Wir wollen vor allem Dynamiken in Molekülen beobachtbar machen, also Veränderungen von Zuständen auf der Zeitskala. Auf Deutsch: Wir wollen biochemische Videos drehen. Das beste Instrument dafür sind gepulste Terahertzwellen, und zwar sehr kurze, mit genau der richtigen Frequenz und hohen Leistungswerten. Dazu füttern wir unser System mit einem nahinfraroten Femtosekundenlaser. Dessen Pulse führen wir durch einen nicht linearen Kristall, der sie uns in Terahertzpulse umwandelt. Nach ein paar weiteren elektrooptischen Kniffen –das Fachwort hierfür heißt TerahertzZeitbereichsspektroskopie –kann man damit etwas messen. Was an unseren Pulsen neu ist: Wir konnten zum ersten Mal zeigen, dass es tatsächlich möglich ist, relativ hohe Leistungswerte von Dutzenden Milliwatt zu erreichen. Und das ist noch längst nicht alles: Zurzeit streben wir Wattniveau an.


Clara Saraceno ist Professorin für Photonics and Ultrafast Laser Science an der Ruhr-Universität Bochum. (Quelle: TRUMPF)
© Carsten Behler, cb@carstenbehler.de

Wie ist Ihnen dieser Leistungssprung gelungen?

Wir waren die Ersten, die bei der Zeitbereichsspektroskopie einen Laser mit einer hohen mittleren Leistung eingesetzt haben. Das hat sich vorher noch keiner getraut, denn ein System mit so viel Leistung zu kontrollieren ist alles andere als einfach. Wir haben TRUMPF Komponenten benutzt, um unseren eigenen Laser zu bauen mit mehr als 100 Watt mittlerer Leistung und einer wirklich hohen Repetitionsrate von 13 Megahertz. Die Terahertzpulse, die daraus resultieren, werden den Forschern ganz neue Blicke ermöglichen.

Wozu wollen Sie die Terahertzwellen denn überhaupt einsetzen? Was wollen Sie wissen über die Welt?

Niemand versteht so richtig, wie Wasser funktioniert – ein altes, immer noch ungelöstes wissenschaftliches Rätsel. Ein so alltägliches Ding und keiner begreift es? Das ist doch faszinierend! Zum Beispiel hat Wasser eine sehr hohe Siedetemperatur sowie ein anomales Dichteverhalten, weswegen Eis auf flüssigem Wasser schwimmt. Wir verstehen immer noch nicht, wie diese makroskopischen Eigenschaften des Wassers –die zentral für das Leben überhaupt sind! –mit den mikroskopischen Eigenschaften der Moleküle zusammenhängen. Wasser ist sehr komplex. H2O ist zwar an sich ein simples Molekül, aber die Moleküle sprechen auf komplizierte Weise miteinander: Das O eines Wassermoleküls kann ganz leicht mit dem H eines anderen interagieren. Und jetzt kommt’s: Diese intermolekularen Bindungen, die Bewegungen, die da stattfinden, liegen genau im Terahertzbereich!

Und diese Bewegungen wollen Sie jetzt beobachten?

Ganz richtig. Wir wollen sie filmen und daraus Schlüsse ziehen, wie Wasser funktioniert. Neben der prinzipiellen Erkenntnis interessiert uns speziell das Wasser in Körperzellen. Was möchten Sie beim Blick in die Körperzelle herausfinden? Das Wasser in den Zellen fungiert als Lösungsmittel für Proteine: Proteine funktionieren nur in Wasser. Das ist letztlich übrigens der Grund, warum wir trinken müssen. Lange hielt man Wasser nur für einen passiven Akteur im Körper. Aber das stimmt nicht. Ein Beispiel: Proteine falten sich in den Zellen. Inzwischen wissen wir, dass Wasser aktiv beeinflusst, wann und wie sie sich falten. Bei manchen Krankheiten, etwa bei Alzheimer, sind diese Faltprozesse gestört. Hat das was mit der intermolekularen Bindung des Wassers zu tun? Das ist eine der großen Fragen, die wir uns stellen.

Und was wird man mit diesem Wissen anfangen?

Ich bin Grundlagenforscherin. Als solche bin ich vorsichtig mit Prognosen, wohin das alles führen wird. Wir wissen es nicht. Interessant ist die Frage natürlich trotzdem. Für das Beispiel Alzheimer könnte ich mir in fernerer Zukunft vorstellen, dass wir mit einer Terahertz-Lichtquelle vielleicht einmal die Fehlfaltungen der Proteine verhindern, also die Krankheit stoppen. Was den engeren Bereich der Lasertechnik betrifft, will ich ein tieferes Verständnis dafür gewinnen, wie wir Licht als Steuerungsinstrument in der Biologie und Chemie einsetzen. Spannend, oder?

In der Tat! Dennoch sind Sie ja nicht die einzigen, die auf Molekularebene neuartige Bilder schaffen. Ihre Kollegen aus der Röntgenforschung machen gerade mit dem Scheibenlaser riesige Fortschritte. Sind das Ihre Konkurrenten?

I wo, gar nicht. Ganz im Gegenteil: Mit Röntgenstrahlen können Sie prima strukturelle Veränderungen betrachten, Terahertzwellen sehen dafür komplexe gekoppelte Prozesse besser. Es spricht also sogar alles dafür, diese Techniken irgendwann zu kombinieren.

Jeder Forscher erlebt einmal einen magischen Moment. Welcher war Ihrer?

Puh, ich hoffe der ganz große kommt noch! Aber ein paar kleine gab es schon. Ich arbeite ja an Strahlquellen. Das klingt vielleicht langweilig, aber ohne die richtigen Messinstrumente geht nicht viel. Für mich ist es immer toll, wenn die Lasersysteme, die ich baue, eine Performance erreichen, die vorher noch nie jemand geschafft hat. Dann stehst du in deinem Labor und denkst: Das da ist jetzt fünfmal mehr Power, als je einer zuvor aus dieser Quelle herausgeholt hat. Das ist schon geil.


Frequenz und Wellenlänge von Terahertzwellen liegen im Bereich zwischen Infrarotund Mikrowellen. Die Grenzen sind nicht exakt definiert. In den meisten Fällen versteht man unter Terahertzwellen Wellen mit Frequenzen zwischen 0,1 und 10 Terahertz und einer Wellenlänge von hunderten bis eintausend Mikrometern. Terahertzwellen haben entsprechend eine Photonenenergie von ein paar wenigen bis zu mehreren zehn Millielektronenvolt.

Clara Saraceno

Clara Saraceno ist Professorin für Photonics and Ultrafast Laser Science an der Ruhr-Universität Bochum. In einem Forschungscluster arbeitet sie daran, Terahertz-Lichtwellen in der Wissenschaft einzusetzen, zum Beispiel in der Biochemie. Saracenos Aufgabe hierbei ist es, leistungsstarke Strahlquellen zu entwickeln.

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