Vor 30 Jahren existierte Lasercor noch nicht, nicht einmal als Idee. Die Familie des Firmengründers Julián Jiménez Candano verdiente ihr Geld in einer ganz anderen Branche: im Lebensmittelhandel. „Ich habe mit 15, 16 angefangen zu arbeiten und in unserem Geschäft Hühnchen verkauft”, erzählt der Sohn des Gründers, Julián Jiménez Barroso. Heute ist er Direktor von Lasercor. Durch Zufall, Mut zum Risiko und vor allem durch großes Engagement und Offenheit für Neues kam eins zum anderen.
Ein anderer Teil der Familie Jiménez war im Gaststättengewerbe tätig und kam so in Kontakt mit einem Hersteller von Spielautomaten. Das war damals noch ein relativ neues Geschäftsfeld in der Region Madrid, entsprechend schwierig war es, passende Ersatzteile für die Automaten zu bekommen. Julián Jiménez Candano war technikaffin, kannte aus den Familienbetrieben die Struktur solcher Automaten, ihre typischen Schwachstellen und Fehlerquellen. Eines Tages bat der Hersteller ihn, einen Spielautomaten zu zerlegen und elektromechanische Schwachstellen zu finden. Daraus entstand ein kleines Zusatzgeschäft – bis ein Zulieferer plötzlich keine passenden Blechteile mehr für die Automaten liefern konnte.
DIE GANZE FAMILIE AM START
„Wir brauchen eine Laserschneidmaschine”, beschlossen Vater und Söhne, um die Versorgungslücke zu schließen und selbst passende Blechteile zu produzieren. Und weil ihnen von Anfang an klar war, dass Qualität sich auszahlt, sollte es eine 2D-Laserschneidmaschine von TRUMPF sein – eine größere Investition. Julián Jiménez Barroso spricht von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag in der alten spanischen Währung, der Euro kam erst etwas später. Dafür hätten sie sich auch ein Auto kaufen können. Bei aller Risiko- und Innovationsbereitschaft – so viel Geld wollte die Familie nicht einfach so in die Hand nehmen, zumal sie weder von der Maschine noch von der zugehörigen Branche allzu viel wusste. Hier kamen zwei Frauen ins Spiel: zum einen die Schwester des heutigen Firmenchefs und zum anderen seine Ehefrau. Die beiden erstellten eine Marktstudie: Welche Firmen in der Region Madrid schneiden Blech? Welche Unternehmen brauchen exakt zugeschnittene Blechteile? Wie groß könnte das Auftragsvolumen sein? Welche Lieferzeiten gibt es? In welchen Branchen kommt geschnittenes Blech zum Einsatz? Wo gibt es Nischen? Nachdem sie all diese Daten gesammelt, geordnet und ausgewertet hatten, war klar: Der Markt existiert, der Bedarf ist da, die Zahl der Mitbewerber überschaubar.
VON LEBENSMITTELN ZU BLECH
Im Jahr 2000 gründete Julián Jiménez Candano mit seinen beiden Söhnen Lasercor. Sie hatten eine TRUMPF Maschine, den Spiel- automaten-Hersteller als ersten Kunden und zunächst viele Stunden, in denen die Maschine nicht lief. Aufträge mussten her. „Unser Vorteil war vielleicht, dass wir aus einer ganz anderen Branche kamen”, sagt der Lasercor-Direktor rückblickend. „Im Lebensmittelhandel steht immer der Kunde im Mittelpunkt. Das gab es in der Blechindustrie in der Region Madrid damals nicht.” Die Familie startete eine Marketingkampagne, rückte Kundenorientierung und Transparenz in den Vordergrund, machte sogar Radio- und Fernsehwerbung. Mit Erfolg: „Die Aufträge kamen, plötzlich lief die TRUMPF Maschine über viele Monate rund um die Uhr.”
Seitdem ist Lasercor kontinuierlich gewachsen. Von 400 Quadratmetern Werkstattfläche auf 16.000 Quadratmeter Betriebsgelände. Von einer TRUMPF Maschine auf inzwischen 23, von TruBend 5130 über TruLaser 5030 fiber und TruLaser Weld 5000 bis zur TruMark Station 7000. Heute hat das Unternehmen 170 Mitarbeiter, der Jahresumsatz liegt bei 30 Millionen Euro. Für etwa 8000 Kunden hat Lasercor mit TRUMPF Maschinen Teile aller Art geschnitten, gebogen, graviert und geschweißt. Mal war es ein Auftrag für einen ganz kleinen Betrieb, mal ein Dauerauftrag für große Konzerne. Manchmal ging es um Straßenschilder oder Haushaltsgeräte, manchmal um Maschinen, ganze Anlagen oder große Windturbinen. Oder eben um das weltberühmte Stadion Santiago Bernabéu.
SUBTIL GESCHWUNGENE METALL-LAMELLEN
Das Bernabéu-Stadion mit seiner neuen Außenhülle ist noch mehr zu einem Wahrzeichen Madrids geworden. „Als skulpturale Hülle aus subtil geschwungenen, diagonalen Metall-Lamellen bietet die in unterschiedlichen Transluzenzgraden (Red.: partiell lichtdurchlässig) ausgeführte Fläche eine Vielzahl von verschiedenen Ansichten”, heißt es auf der Website des deutschen Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner, das 2014 zusammen mit spanischen Projektpartnern den Wettbewerb für den Umbau gewann. Die Herausforderung für Lasercor als Zulieferer beschreibt das aber nur ansatzweise. „Es war ein sehr, sehr schwieriges Projekt”, sagt Julián Jiménez Barroso.
Allein für das neue Stadiondach waren 8880 Blechlamellen erforderlich, für die Fassade noch einige mehr. Anfangs hieß es, dass alle – oder zumindest viele – gleich sein sollen. Beim Zuschneiden stellte sich heraus, dass jede Lamelle ein bisschen anders war – hier ein paar Millimeter mehr, dort ein paar Millimeter weniger. Und jede musste sich exakt in die umliegenden einfügen. Außerdem gab es sechs verschiedene Oberflächen, die das Licht unter schiedlich reflektieren.
FAST PERFEKT
Lasercor hat mit einer TruLaser 5030 fiber mit einem 12 Kilowatt starken Laser 4400 dieser Lamellen exakt zugeschnitten, außerdem Teile für die nördliche und östliche Fassade. Die auftraggebende Fassadenfirma lieferte Bleche und Maße, das Lasercor-Team übertrug sie in die TruLaser Maschinen und schnitt die Teile millimetergenau. Eineinhalb Jahre arbeitete das Unternehmen an dem Projekt, nur 60 der 4400 Teile musste es ein zweites Mal produzieren – meist wegen Transportschäden. „Casi perfecto”, sagt Julián Jiménez Barroso, „fast perfekt”. Dabei arbeitete Lasercor so schnell, dass es andere beteiligte Unternehmen sogar noch unterstützen konnte:
„Es war kompliziert”, so der Lasercor-Chef. Sieben Monate verhandelten sie, bis der Auftrag unterschrieben war. „Ein Unternehmen allein hätte das nicht machen können. Die Vergabe an vier Firmen war auch eine Vorsichtsmaßnahme, damit das Projekt nicht wegen irgendwelcher Lieferschwierigkeiten hätte unterbrochen werden müssen.” Fast alle Abteilungen des Unternehmens waren involviert, vom Vertrieb bis zur auf Präzisionsschnitte spezialisierten Abteilung, die das besonders empfindliche Material immer wieder vor neue Herausforderungen stellte.
QUALITÄT STEHT ÜBER ALLEM
„Wir sind ein Familienunternehmen wie TRUMPF auch”, sagt der Lasercor-Direktor. Alle arbeiten eng und vertrauensvoll zusammen, lösungsorientiert, pragmatisch. Qualität steht über allem. „Wenn eine Maschine nicht reicht, muss eine weitere her, wenn das Material nicht gut ist, müssen wir besseres nehmen.” Keine Maschine ist älter als vier Jahre. „Wir hören nie auf, zu investieren. Und wenn wir einen Fehler machen, lernen wir, wie es richtig geht.” Aktuell beschäftigt sich Lasercor mit dem Thema Smart Factory. Alle Lasercor-Maschinen von TRUMPF sind schon miteinander vernetzt. Einige, wie etwa die TruLaser Weld 5000 oder die TruBend Cell 7000, sind ohnehin weitgehend automatisiert. Das TRUMPF Smart Factory Consulting unterstützt Lasercor von Anfang an auf dem Weg zur Smart Factory. Das nächste Ziel ist, im ganzen Werk auf Papier zu verzichten, also wirklich alles zu digitalisieren. Der Lasercor-Chef: „Wir sind schon nah dran, das zu schaffen.”
Seit Anfang 2023 sind Dach und Fassade des Bernabéu-Stadions fertig. Julián Jiménez Barroso ist echter Real-Fan, verpasst kein Spiel – und freut sich bei jedem Heimspiel einmal mehr über den Lasercor-Anteil an der Stadion-Ikone. „Alle Besucher sind hin und weg, sogar Pep Guardiola (Red.: der ehemalige Cheftrainer von Madrids Dauerkonkurrenten FC Barcelona) war begeistert”, erzählt er stolz. „Es fühlt sich gut an, ein Teil davon zu sein.”